Clint und Andrea, – Blogger im Feststoffmodus.


4. Juli 2015, Teil 1 der Blogserie. (Nein genau genommen ist es schon Teil 2, denn ich habe ja schon das Dessert vorweg gereicht. 😉 )

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Herrengraben, eine Straße im Hamburger Fleetviertel zwischen Michaeliskirche und Hafen. Ich klingle drei mal an der Tür. So hatten wir es als Zeichen, dass ich es bin, abgesprochen. Wir waren einander noch nie vorher begegnet. Jedenfalls noch nicht im „real life“.

„Hello“, tönt es aus der Gegensprechanlage.

„Hello Clint? It’s me, Peter.“ Im Hintergrund pladdert eine Dusche. Ich habe also noch ein wenig Zeit, gespannt zu sein, wer dieser Clint Buffington denn ist. Oder, genauer, wie er so ist.

Irgendwann einmal hatte ich „message in a bottle“ in eine Suchmaschine eingegeben, alle Hinweise auf einen gleichnamigen Film und einen Song der Band Police erfolgreich ignoriert und war dann auf Clints Blog „Message in a Bottle Hunter“ gestoßen. Offensichtlich ist das neben Hilke Kurzkes Flaschenpost Projekt das einzige englischsprachige  Website, das sich ausschließlich mit Flaschenposten beschäftigt. Für mich ein Grund, den Blog eingehender zu studieren, hin und wieder zu kommentieren und den Flaschenpostjäger aus den USA schließlich auch hier kurz zu portätieren. Die Gemeinde der Flaschenpostler ist klein, zumindest im Internet.

Vor einigen Wochen schrieb er mir, dass er nach Deutschland kommen wolle. Und ob wir uns treffen könnten. Irgendwas in mir machte „ping“! Klar wollte ich das! Mit seiner Leidenschaft für Botschaften in Buddeln war Clint für mich schon fast eine Legende. Na ja, okay, in unserem exotischen Metier braucht es nicht viel zur Berühmtheit. 😉 Schließlich hatte mich die simple Tatsache, dass ich einen von drei deutschsprachigen Blogs dazu schreibe, auch schon zu einem Experten promoviert, ohne dass ich irgendeine Sachkunde unter Beweis stellen musste. Wer als Robinson auf einer einsamen Insel lebt, ist zwangsläufig der König seines winzigen Reiches! 😀

Aber einfach nur treffen und fachsimpeln ist für mich kein so prickelndes Programm, und an der Kieler Förde konnte ich ihm außer wahrscheinlich Massen von Badegästen, die wie eine Seeelefantenkolonie den Strand bevölkerten, nicht viel zeigen.

Die Flaschenpost, die 101 Jahre lang auf dem Grund der Kieler Bucht gelegen hatte, lag inzwischen in Hamburg im Internationalen Maritimen Museum. Die hatte ich auch noch nicht gesehen. Aber das wäre doch ein Ziel für uns beide, dachte ich! Als ich es ihm schrieb, merke ich, dass es auf der anderen Seite des Großen Teiches „ping“ machte! 😀 Ich musste nur noch sicherstellen, dass das alte Stück auch für uns zu sehen war. Ein paar Telefonate, und auch das war geklärt.

Und dann gab es da in der Hansestadt an der Elbe noch mehr Flaschenposten. Die lagerten wohlbehütet in dicken Alben im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Ob uns der Bibiothekar diesen Schatz zeigen würde?

Eine E-Mail, und ich hatte auch von dort eine freundliche Zusage!

Froh über das für unser Spezialinteresse maßgeschneiderte Programm schwadronierte ich darüber in einem Chat mit Andrea. Auch Andrea kannte ich nur über ihre Homepage. Was so viel heißt: ich kannte sie eigentlich gar nicht. Ich war nur zufällig mal über dieses Website mit Namen Treibholzeffekt gestolpert, aber spontan vom Charme ihrer Beiträge angetan. Schrieb und fotografierte eine kreative, unkonventionelle Frau, die einen nachhaltigen, bewussten Lebensstil nicht nur propagierte, sondern mit viel Phantasie und mit Blick für das Schöne im eigenen Alltag umsetzte. Wer seine Garderobenhaken aus einem Treibholzast bastelt, der muss selbst aus gutem Holz geschnitzt sein, bildete ich mir ein. Aber wir hatten sonst nicht viel miteinander zu tun.

Als ich woanders auf dieses Bild stieß, fiel sie mir spontan wieder ein. Ich schickte ihr den Link, wir kamen ins Klönen, und dann fragte sie, ob sie nicht bei unserer flaschenpostalischen Exkursion mitkommen könnte. Ja, warum denn nicht? Ich selber bin ja eher so ein spröder Fischkopp, da wäre es bestimmt toll, jemanden mit so viel jugendlichem Esprit dabei zu haben.  Und vielleicht kann sie auch besser Englisch als ich. Ich meinte ja auf Grund einiger Youtube-Videos, die ich von Clint gesehen hatte, den Flaschenpostsammler einigermaßen verstehen zu können, aber umgekehrt könnte es mit meinem untergrottigen Neuntklässlerenglisch Probleme geben. Also los, es würden zwei Internetbekanntschaften auf einen Schlag werden, und das für uns alle drei.

Ich höre eilige Schritte im Treppenhaus, und da ist er: Ende 20, schlanke sportliche Figur, ein offenes, fröhliches Gesicht. „I’m so glad to meet you,“ – ja, genau so hatte ich ihn mir vorgestellt! Es konnte also losgehen.

Auf dem Weg zum Baumwall, wo wir Andrea treffen wollen, versuche ich mich als Stadtführer: „Stolpersteine“ (Messingplaketten, die an von Nazis ermordete Menschen erinnern), Architekturformen des Klinker-Expressionismus, Hochbunker mitten im Stadtbild, das könnte für den Amerikaner neu sein.

Andreas Willkommensgruß: selbstgemachte Flaschenpost mit handgeschöpftem Papier. (Foto: Andrea Kohlhaas)

Andreas Willkommensgruß: selbstgemachte Flaschenpost mit handgeschöpftem Papier. (Foto: Andrea)

Andrea hatte Clint gestern vom Bahnhof abgeholt (Erkennungszeichen: Flaschenpost in der Hand) und am Abend mit ihm ein Stadteilfestival besucht, die beiden kannten sich also schon. Und verstanden sich offensichtlich bestens. Auch mir war die junge Frau in ihrer unkomplizierten offenen Art auf Anhieb sympathisch!

Meine zwei neuen Freunde.

Meine zwei neuen Freunde.

Einziges Problem: Die beiden hatten noch nicht gefühstückt. Was aber kein Problem sein sollte, den wozu gibt es Bistros und Cafés. Wir sind schließlich am Hafen, der Touristenattrakion von Hamburg. Also lassen wir uns vor dem Watergate, einem Lokal an den Landungsbrücken nieder. Aber da sind wir im Weg, ein unfreundlicher Kellner mosert uns an. Wir rücken einen Stuhl auf die andere Seite, aber auch das passt ihm nicht. Was ihn beim Bedienen der wenigen Gäste stört, sind offensichtlich Gäste. Dabei wollen wir doch nur in aller Bescheidenheit ein Baguette und einen Kaffee, aber das ist wohl eine Überforderung. Vielleicht muss der Smutje erst aus dem Bett geholt werden, jedenfalls warten wir endlos.

Immerhin: Gelegenheit für Clint, ein wenig von seiner Europa-Tournee zu erzählen. Als erstes war er in Düsseldorf gwesen, um sich mit Sabine Roy zu treffen, deren Flaschenpost er vor einiger Zeit auf einer Insel in der Karibik gefunden hatte. Es war gar nicht so einfach gewesen, die verblichene Schrift auf dem Zettel so einigermaßen zu entziffern. (Über das Treffen wird er in seinem eigenen Blog noch berichten.) Heute war Hamburg dran. Morgen soll es nach Dresden gehen. Dort wird gerade eine seiner Flaschenposten in einer Sonderausstellung zum Thema „Freundschaft“ gezeigt. (Hier die Geschichte dazu.) Für ihn ein seltsames Gefühl: sein Fundstück vom Strand mitten unter Exponaten wie Briefen von Goethe oder dem „Roten Telefon“, das im Notfall Krieg zwischen den Supermächten verhindern sollte…

Flaschenpostjäger Clint Buffington.

Flaschenpostjäger Clint Buffington.

Dann soll es nach Frankreich und schließlich noch nach England gehen, um einer Reihe weiterer Flaschenpostsender zu begegnen. Früher, so erzählt Clint, habe er Europa wegen der Sehenswüdigkeiten, Kirchen und Schösser bereist. Heute käme er wegen der Menschen. Die Watergate-Affäre auf den Landungsbrücken endet damit, dass sich Andrea ihr Baguette einpacken lässt, – wenigstens das funktioniert ohne Genörgel des Kellners. Wir haben schließlich noch was vor und können hier keine Ewigkeit verbringen. Aber tröste dich, lieber Watergate-Kellner: Wir kommen auch bestimmt nicht wieder! Versprochen, bei Poseidon, – heiliges Ehrenwort!

Wir beginnen über eine breite Treppe unseren Aufstieg zum ersten Heiligtum unserer Pilgerreise: dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrogaphie, direkt oberhalb der Landungsbrücken.

Mehr dazu hier.

Kategorien: Persönliche Geschichten, Sender und Sammler | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

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2 Gedanken zu „Clint und Andrea, – Blogger im Feststoffmodus.

  1. fokusfreude

    herrlich lebendig und mitreißend geschrieben! Ich warte gespannt auf die Fortsetzung! Danke fürs Teilen der Erlebnisse 🙂
    liebe Grüße und einen schönen Sonntag!

  2. Pingback: Die Flaschenposten der Deutschen Seewarte: Ein Besuch beim BSH. | flaschenposten

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